Buchtipp


für wahre Kuba-Kenner

Buchtipp: Salsa Cubana. Tanz der Geschlechter

von Miriam Lang (Hrsg.)

Ein Sammelband untersucht die Geschlechterbeziehungen auf Kuba


Miriam Lang (Hrsg): Salsa Cubana. Tanz der Geschlechter. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2004, 143 Seiten, 12 Euro.



"Wir haben noch nie geglaubt, dass ein Homosexueller die Anforderungen erfüllen und sich so verhalten kann, dass wir ihn als einen echten Revolutionär , als echten Kommunisten bezeichnen könnten", mit diesen Worten stritt Fidel Castro 1965 in einem Interview Schwulen das Recht ab, leitende Posten zu besetzen, "wo Einfluss auf die Jugend ausgeübt werden kann". Damals wurden viele Homosexuelle in den so genannten "Militärischen Einheiten zur Unterstützung der Produktion" eingesperrt. Und ein Jahrzehnt später, in den Siebzigern, unterwarf die Regierung das gesamte Erziehungswesen und den Kulturbereich diesem gesellschaftlich legitimierten Sexismus, der Schwulen verbot, Mitglied der regierenden Kommunistischen Partei zu werden, eine wichtige Stellung zu bekleiden oder ein bestimmtes Studienfach zu belegen.

Dargestellt sind diese Entwicklungen im Buch Salsa Cubana. Tanz der Geschlechter, herausgegeben von der Lateinamerikaexpertin und Soziologin Miriam Lang. Mit einem Stipendium des Berliner Programms zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen in der Forschung unterstützt, arbeitete sie zwei Jahre an dem Buch, das ursprünglich nur das Thema "Gewalt gegen Frauen" beinhalten sollte.

Rassismus, Wirtschaft, Prostitution

"Während ich in Kuba war, habe ich bemerkt, es gibt so viele Aspekte der Beziehung zwischen Männern und Frauen insgesamt, die zur Zeit in Bewegung sind, ... dass ich es verschenkt gefunden hätte, nur ein Buch über Gewalt gegen Frauen zu machen." Lang wollte einen Überblick geben über diese Entwicklung. So wurde aus dem alten Vorhaben nur ein Kapitel im Buch. Die anderen beschäftigen sich mit Themen wie schwarze Frauen und Rassismus , Prostitution als boomender Wirtschaftsbereich, Männlichkeitsbilder auf der Insel oder Leben in den Zeiten der Diaspora. Als Autorinnen konnte Lang einheimische Journalisten, Historiker oder Psychologen gewinnen.

Entstanden ist ein Buch, das höchst interessant anhand zahlreicher historischer und zeitgenössischer Beispiele tiefgründig die Entwicklung einer Gesellschaft nachzeichnet, nach Ursachen forscht, Widersprüche erklärt sowie Strategien der Bevölkerung aufzeigt, die sie im Alltag mit Bestimmungen von Oben entwickelt hat. Versehen mit zahlreichen Literaturangaben ist Salsa Cubana nicht nur dem Fachpublikum empfehlenswert, sondern auch allen anderen Lesern, die sich für das Leben auf der Insel interessieren.

Die Autorin Dalia Acosta Pérez zeigt, wie der Oscarnominierte kubanische Film Erdbeer und Schokolade (1993) über die Liebe zwischen dem schwulen Diego und dem Kommunisten David zum ersten Mal die gleichgeschlechtliche Beziehung und Homophobie in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stellte. Etwa vier Jahre hat es danach gedauert, bis alle homophoben Inhalte aus dem Strafgesetzbuch durch eine Reform gestrichen wurden. Ein gewisses Toleranzklima seit den neunziger Jahren begünstigte eine Phase, in der für mehr Verständnis für Homosexuelle geworben wurde. Anders bei Lesben, die auch in der akademischen Welt nach wie vor nur am Rande wahrgenommen werden.

Obwohl die Revolution es geschafft hat mit einigen Stereotypen zu brechen, hat in Kuba nach wie vor ein Männlichkeitsmuster die Oberhand, das von weißen, heterosexuellen Städtern repräsentiert wird. Das konstatiert der Historiker Julio César González Pagés, der in Salsa Cubana von Miriam Lang zu Männlichkeiten befragt wird. Im Zusammenhang mit der Dollarwirtschaft habe sich aber auch in letzter Zeit eine gewisse Akzeptanz der jinetero (männliche Prostituierte), die früher gesellschaftlich streng verpönt waren, entwickelt. Sie genießen in gewissen gesellschaftlichen und familiären Kreisen Ansehen, sogar unabhängig davon, ob die Kunden männlich oder weiblich sind. Hauptsache sie bringen Geld nach Hause.

Das gleiche gilt auch für weibliche Prostituierte, jineteras, die lange Zeit auf der Insel totgeschwiegen wurden, nachdem das älteste Gewerbe der Welt nach der Revolution als abgeschafft galt. Als Reaktion auf den Sextourismus entwickelt, wurde die Prostitution zum boomenden Wirtschaftszweig in Kuba, der weder durch diverse Polizeirazzien oder "Umerziehungslager", in denen aufgegriffene Frauen bis zu vier Jahre verbringen müssen, zum Erliegen kommt

Dollars für die Familienkasse

Die Journalistin Sara Más Farías beschreibt in dem Kapitel "Weder Bordell noch Paradies", wie es zur Wandlung von prostitutas zu jineteras - was so viel wie "unter schwierigen Bedingungen kämpfen" bedeutet - kam. Die Prostitution wird nicht nur als eine "wichtige Überlebensstrategie" gesehen, sondern auch als Möglichkeit, den Traum von einer Ehe mit einem/er Ausländer/in wahr zu machen, um zum Beispiel frei reisen zu können. Viele Eltern freuen sich über die Dollars, die ihre Töchter von der Straße der Familienkasse beisteuern.

In diesem Zusammenhang kritisiert die Herausgeberin die Auswirkungen, die diese massive Prostitution auf die Geschlechterbeziehung zwischen Kubanerinnen und Kubanern hat. "In Kuba ist es eben so, dass potentielle Geliebte oder Ehepartner nach finanziellen Gesichtspunkten ausgewählt werden, und das nicht nur in den touristischen Zentren. Viele junge Leute klagen darüber, dass sie ihr Ideal von der romantischen Liebe überhaupt nicht mehr leben können, weil das jeweils andere Geschlecht nur noch an Dollars interessiert ist."


Besucher seit dem 16.11.2004



¡Ya!