Reisebericht


eines aufmerksamen Beobachters





Reisebericht von Friedhelm K.

Havanna im Frühjahr 2001 - Eindrücke einer Reise



Vor kurzem beschloss ich, eine Reise nach Havanna zu unternehmen, um meine bisherigen Erfahrungen - vor einigen Jahren war ich schon einmal in Kuba - vertiefen zu können. Motiv für meinen Besuch Kubas war jedoch auch die vage Befürchtung, dass das heutige Kuba nach einem Abtritt des alternden Castros und der dann möglicherweise folgenden "Invasion" von amerikanischen Touristen und von "Mac Donalds" vielleicht viele seiner Reize verlieren würde. Wie ich aus Gesprächen mit anderen Touristen erfahren habe, war ich nicht der einzige, der so dachte. Einige Eindrücke meiner Reise nach Havanna möchte ich hier einmal schildern. Mir ist bewusst, dass Reiseberichte immer selektiv und auch subjektiv ausfallen. Aber ich habe mich bemüht, ein möglichst umfassendes und ausgewogenes Bild meiner Reiseerlebnisse zu zeichnen. Ich hoffe, dass die nachfolgende Schilderung für den einen oder anderen Leser, der eine Kuba-Reise plant, von Interesse ist.

Anreise

Der Flug nach Kuba - von Deutschland muß man mit einer Flugzeit von etwas mehr als 10 Stunden Dauer rechnen - verlief glücklicherweise ohne Probleme. Auch die Abfertigung in Zielflughafen Varadero ging reibungslos vonstatten. Im Gegensatz zum Flughafen von Havanna scheinen in Varadero weniger Flugzeuge zu starten und zu landen, so dass die Wartezeiten am Flughafen Varadero vergleichsweise kurz sind. Draußen vor dem Flughafengebäude empfing uns bereits erwartungsgemäß, wie bei meinem ersten Besuch in Kuba,
eine Schar von Taxifahrern , die versuchten, eine Fahrt nach Havanna zu verkaufen - zum Preis von 25 Dollar pro Person bei vier Fahrgästen. Ich war zurückhaltend, da ich das "Spielchen" mit den Preisen schon von meinem ersten Besuch her kannte (Abwarten senkt den Preis) und außerdem den Viazul-Bus ausprobieren wollte, einen modernen, mit Klimaanlage ausgestatteten Bus, der für 10 Dollar regelmäßig zwischen Varadero und Havanna pendelt. Die Fahrkarte für den Bus zu besorgen, war kein Problem. Direkt draußen vor dem Flughafengebäude befindet sich ein Stand von Viazul, und die äußerst hilfsbereite und nette Dame, die dort arbeitete, sprach sogar etwas deutsch. Nachdem ich die Reservierung für die Karte besorgt hatte und viele Taxifahrer bis zur Ankunft der nächsten Maschine leer auszugehen drohten, sank der angebotene Preis für die Taxifahrt nach Havanna - oh Wunder - rapide auf 12,50 Dollar pro Person bzw. auf 50 Dollar insgesamt für vier Personen. Dies ist ein vernünftiger Preis, wenn man die Entfernung von Varadero nach Havanna sowie die Tatsache bedenkt, dass der Taxifahrer die Fahrgäste in dem Fall in Havanna auch bis vor die Haustür bringt. (Die Taxipreise sollten stets ausgehandelt werden, vor allem für längere Strecken. Von Havanna-Flughafen nach Havanna Stadt sind ca. 12 Dollar ein angemessener Preis).

In Havanna wurde ich von dem vertrauten, unbeschreiblichen Gestank aus Petroleum und schlechtem Benzin mit hohem Schwefelanteil empfangen, der bei mir allerdings anstatt Abneigung zunächst die positiven Erinnerungen meiner letzten Reise auslöste. Ja: In Havanna stinkt es, und zwar Tag und Nacht! Wer schon einmal zu Zeiten des Ostblocks in osteuropäischen Städten, wie z.B. Budapest oder Prag, gewesen ist, weiß, wovon die Rede ist. Die Verringerung von Autoabgasen, insbesondere aus
Fahrzeugen russischer Herkunft, die in Kuba weit verbreitet sind , war offenbar noch nie ein besonderes Ziel sozialistischer Regierungen. Und daran hat sich bis heute auch in Kuba nichts geändert. Manchmal, wenn ein Bus oder LKW vorbeifährt, kann es einem passieren, dass man auf dem Bürgersteig regelrecht in eine dunkle Rauchwolke eingehüllt wird. Ich hatte zugegebenermaßen Schwierigkeiten, mich daran zu gewöhnen. Frische Luft können Sie in Havanna nur bei einem Spaziergang an dem herrlichen Malecòn, der kilometerlangen Strandpromenade, genießen.
In Havanna selbst war ich bei einer netten Familie in einer sehr schönen "
casa particular " in zentraler Lage in dem schönen Stadtteil Vedado untergebracht, und zwar zu einem Preis von 22 $ pro Nacht incl. Frühstück. Wenn irgend möglich, sollte man diese Übernachtungsmöglichkeit den relativ teuren staatlichen Hotels vorziehen, deren vorrangiger Zweck zu sein scheint, Touristen ordentlich zu "melken" und Dollars fürs Regime einzufahren . Die Preise in den Hotels liegen zwar im internationalen Vergleich noch im Rahmen des Üblichen.
Das Preis-/Leistungs-Verhältnis ist allerdings meist deutlich schlechter als z.B. in europäischen oder asiatischen Ländern . Dies ist im Übrigen ein Eindruck, der nicht nur für die Hotels in Kuba gilt, sondern auch für die meisten anderen Sachen. Wer Qualität nach europäischem Standard oder gar einen billigen Urlaub sucht, der ist in Kuba fehl am Platze. Man sollte sich da von den Urlaubsprospekten nicht täuschen lassen. Kuba ist vergleichsweise teuer, hat aber für diejenigen, die bereit sind, sich hierauf einzulassen, eine Menge an "Erfahrungsurlaub" zu bieten, der auch seinen Wert hat.

Allgemeine Erfahrungen

Was die Urlaubserfahrungen aus Havanna angeht, so war der zentrale, alles überragende Eindruck meines diesjährigen Besuchs
die Polizei, die Polizei und nochmals die Polizei! Ein solches Aufgebot an uniformierten, mit mächtigen Schlagstöcken, immer schnarrenden Funkgeräten und Barets ausgestatteten Polizisten, die rund um die Uhr in nahezu jedem Straßenzug Havannas postiert sind und dort auf und ab patrouillieren, habe ich noch nie erlebt. Und ich bezweifle, ob es irgendein Land auf der Welt gibt, das eine ähnliche hohe Polizeipräsenz auf den Straßen seiner Hauptstadt kennt. In Havanna ist ein geradezu gigantischer Überwachungs- und Kontrollapparat installiert, der im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren nach meinem Eindruck noch ganz erheblich gewachsen ist. Tagsüber erlebt man die Polizisten häufig von ihrer freundlichen Seite. Da erklärt ein Polizist Touristen freundlich den Weg oder hilft schon einmal in vorbildlicher Weise Blinden oder älteren Menschen über die Straße. Allerdings gibt es kaum eine Bewegung, die den wachsamen Augen der Polizei verborgen bliebe. Viele Polizisten in Havanna kommen vom Lande und sind deshalb unter den Einwohnern Havannas Zielscheibe des einen oder anderen Witzes. Meist handelt es sich um recht junge Burschen, die auf den ersten Blick einen schüchternen Eindruck machen. Das ist jedoch ein gefährlicher Trugschluss: Nach Einbruch der Dunkelheit, besonders in den späteren Nachtstunden, offenbart sich die dunkle Seite des Regimes: Willkürliche und reihenweise Kontrollen und Festnahmen von kubanischen Passanten auf der Straße, vor allem, wenn Sie Kontakt mit irgendeinem Touristen hatten. Vor jeder Kneipe in der Altstadt "Havanna Vieja", in der Touristen verkehren, aber auch in anderen Stadtteilen, stehen mindestens zwei bewaffnete Polizisten, manchmal sogar mehr, die die Bevölkerung pausenlos mit Kontrollen, Festnahmen und der Verhängung von sog. "multas" , von Geldstrafen, einschüchtern und terrorisieren . Alles - entsprechend der kubanischen Art - "tranquilo" und ohne viel Geschrei; an der Härte der Maßnahmen ändert dies freilich nichts. Von einem Straßencafé in Havanna Vieja in der Avenue de la Belgica (Monserrate), in der wenige Meter entfernt auch die bekannte Bar "El Floridita" liegt, konnte ich die bedrückende Szenerie Abend für Abend bzw. Nacht für Nacht erleben. Während ich gemütlich an meinem Bier nippte, wurden wenige Meter von mir entfernt reihenweise vorbeikommende Kubaner und Kubanerinnen kontrolliert und anschließend, nach 15 bis 30 Minuten Wartezeit, in der die Funkabfragen erfolgten, abgeführt - welch entspannender Anblick im Urlaub! Offiziell heißt es, dass die Polizei nur zum "Schutz" der Touristen da sei. Dies ist jedoch eine groteske Scheinbehauptung, da die Polizei sich in der Regel für nichts anderes interessiert, als dafür, jeden Kontakt von Kubanern zu Touristen möglichst zu verhindern und die allgemeine politische Lage zu überwachen. Die "Delikte", für die die Kubaner und Kubanerinnen, die im Rahmen dieser Einschüchterungskampagne festgenommen werden, für einen oder mehrere Tage ins Gefängnis wandern und sog. "multas" (Geldstrafen) kassieren, sind mehr als schwammig. Eine offizielle Anklage erfolgt nie , und auch so etwas wie ein Rechtsschutz existiert natürlich nicht. Da gibt es "unsozialistisches Verhalten", "Belästigung" von Touristen, "Förderung" ausländischer Propaganda, " Prostitution, " ( wird sehr weit ausgelegt ) und ähnliche "Missetaten", deren Feststellung allein von der Laune und dem Wollen des jeweiligen Polizisten abzuhängen scheint . Gleiches gilt für die Art und Weise, wie diese "Delikte" dann geahndet werden. Meistens ist der Einschüchterung dann auch mit ein oder zwei Tagen Gefängnis Genüge getan, nach denen die Leute wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Allerdings haben sie dann einen Eintrag im Polizeicomputer, was die nächste Festnahme bzw. Geldstrafe fördert und obendrein das Verlassen des Landes aufgrund einer Einladung aus dem Ausland für die nächsten 5 Jahre erschwert.

Solange sich die Kubaner oder Kubanerinnen noch in unmittelbarer Nähe von Touristen aufhalten, greift die Polizei in der Regel nicht ein (Ausnahmen habe ich aber auch erlebt). Sobald man sich nur ein paar Meter entfernt, kann der Zugriff erfolgen. So wurde eine kubanische Bekannte, die einen Freund zum Flughafen begleitete, nachdem dieser sein Flugzeug bestiegen hatte, direkt beim Verlassen des Flughafengebäudes festgenommen. An einem Abend habe ich z.B. mit einem kubanischen Bekannten von besagtem Straßencafé die Kontrollen und Festnahmen beobachtet, und wir haben beim gemeinsamen Bier darüber diskutiert. Später sind wir dann ein bißchen durch die Altstadt gezogen, bis der Kubaner (oder ich?) einen verhängnisvollen "Fehler" machte. Er sagte, dass er mal eben "austreten" müsse, und ich bin etwa 20 Meter vorgelaufen. Dies hat der Polizei genügt, um zuzugreifen. Schnell waren mindestens vier Polizisten zur Stelle, und mein Freund wurde schließlich nach einer etwa halbstündigen Prozedur der Überprüfung abgeführt, wie ein Schwerverbrecher die Hände in Handschellen auf dem Rücken. Nach zwei Tagen habe ich ihn wiedergesehen....

Meine Freundin, die ich kennengelernt hatte, - auch ich bin dem Charme einer Kubanerin erlegen, was bei den Kubanerinnen nicht schwerfällt - hat, wenn wir zusammen herumspaziert sind, nie meine Hand losgelassen. Selbst in Restaurants hat sie mich regelmäßig bis vor die Toilettentür begleitet. Stets aus
Angst vor der Polizei. Jede auch nur kurzzeitige Trennung hätte zu einer Kontrolle und Festnahme durch die allgegenwärtige Polizei führen können. Wenn ich mit ihr zusammen auf einen Markt gegangen bin, hatte ich in Windeseile zwei oder gar drei Polizisten im Nacken, die uns mit "Argusaugen" beobachteten und offenbar nur darauf warteten, dass ich mein Portemonnaie zückte, um meiner Freundin etwas zu kaufen. Das Gekaufte hätten sie ihr wahrscheinlich dann gleich abgenommen - entsprechende Geschichten habe ich von anderen Touristen in Kuba gehört. Den Gefallen habe ich der Polizei natürlich nicht getan, sondern wir haben uns schnell von den Märkten entfernt und sind dann z.B. im Supermarkt einkaufen gegangen. Dort gibt es zwar auch Polizei, aber es handelt sich um eine Art "Private Security" (bereits durch andere Uniformen erkennbar), die nur auf die Verhinderung von Diebstählen aus ist und sich sonst für nichts anderes zu interessieren scheint. Im Übrigen herrscht aber auch in den Supermärkten eine rigide Kontrolle. Taschen muss man gleich draußen abgeben, und nach dem Bezahlen wird man gleich hinter der Kasse vom Sicherheitspersonal penibel kontrolliert, ob das, was auf dem Kassenbon steht, auch dem entspricht, was man in der Einkaufstüte hat. Und am Hauptausgang des Kaufhauses gleich noch einmal dasselbe Spiel. Dort ließ man mich als Touristen aber gleich passieren. Nur die Kubaner und Kubanerinnen mussten in der Schlange warten und wurden nochmals "gefilzt". Die "neuen Menschen" des Sozialismus genießen offenbar nicht das gleiche Vertrauen wie jeder x-beliebige Tourist aus dem Ausland.

Abgesehen von der ständigen Überwachung ist Havanna eine sehr interessante Stadt. Das Nebeneinander von neu und alt, von reich und arm, von kulturhistorischen Bauwerken, mit aufgehängter Wäsche umgeben und bewohnt von Leuten, die dort auf engstem Raum zusammenleben, von Bauruinen, Häusern mit Wassertanks auf dem Dach, modernen Hotels,
alten und klapprigen Autos aus den fünfziger Jahren und modernen japanischen und französischen Karossen - all das gemischt mit karibischer Musik , deren afrikanische Wurzeln unverkennbar sind, und einer eigentümlichen Geräuschs-, Geruchs- und Lichterkulisse - sowie Menschen aller Farben und allen Aussehens, verleihen Havanna einen unvergleichlichen Reiz, der manches an den (kaum zu übersehenden) Missständen vergessen machen kann. Am Malecòn und entlang des Prado, des ehemaligen Prachtboulevards (Paseo de Marti), sowie in den Straßen und Gassen der Altstadt, vor allem in der "Calle Obispo", kann man stundenlang spazieren gehen, ohne dass es langweilig wird. Ich bin jeden Tag Kilometer gelaufen - so viel wie in Deutschland noch nie. Das alles bei Temperaturen um die 30 Grad und einem erfrischenden, bisweilen aber auch starken Wind, der in diesem Jahr stärker als üblich war. Einen Pullover oder eine Jacke habe ich, auch nachts, während meines ganzen Aufenthalts nicht benötigt. Dafür aber einen Hut als Sonnenschutz. Die Sonneneinstrahlung und die Lichtverhältnisse sind, verglichen mit Deutschland, schon ziemlich extrem (Vorsicht am Strand: Sonnenbrandgefahr auch im Schatten!). Auch das Fotografieren ist bei der starken Lichteinstrahlung nicht einfach. Wenn im Bildhintergrund einige sehr helle Bereich sind, führt dies leicht dazu, dass das eigentliche Motiv zu dunkel wird, da die meisten Fotoapparate automatisch einen Mittelwert an Belichtung einstellen.

Im Hinblick auf die Sehenswürdigkeiten und Museen kann ich keine besonderen Empfehlungen abgegeben, da wohl jeder verschiedene Interessen hat. An Waffen- und an Personenkult der "Revolutionsführer", vor allem
Che Guevara , mangelt es aber in der ganzen Stadt nicht. Havanna ist im Übrigen jedoch ein "Eldorado" an Kulturdenkmälern und könnte sich, wenn es gelingt, die Stadt zu restaurieren und das Stadtbild zu verschönern, mit Leichtigkeit zu einem Paris Lateinamerikas entwickeln. Das ist jedoch derzeit noch Zukunftsmusik. Für die zahlreichen Museen gilt - wie bei fast allen Staatsbetrieben -, dass man für die Besuche ordentlich bezahlen muss. Während für Kubaner der Besuch eines Museums z.B. zwei Pesos kostet (ca. 10 US-Cent), kostet er für Ausländer das Zwanzigfache. Manchmal sogar mehr, und obendrein muss man für die Erlaubnis zu fotografieren häufig nochmals 2 bis 5 US Dollar extra berappen . Im Revolutionsmuseum im Zentrum des Plaza de la Revolution, das das höchste Gebäude in Havanna darstellt, kostet der Eintritt saftige 5 Dollar, weitere 5 Dollar sind fällig , wenn Sie mit dem Fahrstuhl nach oben fahren wollen, sowie weitere 5 Dollar extra fürs Fotografieren (Von der Dachterrasse des Hotel Capri oder von der Jesusstatue auf der anderen Seite der Bahia bekommt man den Blick über Havanna aber auch umsonst). Von der vielzitierten sozialistischen Gleichheit merken Sie als Tourist jedenfalls nichts: Sie werden häufig ein Vielfaches an dem bezahlen müssen, was von Kubanern verlangt wird. Die Preise die in den staatlichen Monopolbetrieben festgelegt werden, erinnern dabei an die Missstände, die in Deutschland zu Zeiten des Frühkapitalismus geherrscht haben müssen. Jedes Monopol wird in extremer Weise ausgenutzt. Für eine einfache e-mail, die man in einem Hotel verschicken will, zahlt man in der Regel mehrere Dollars - pro mail ! So etwas wie Service am Kunden ist ebenfalls - wie früher in den Ostblockländern - unbekannt. Im "Casa de Africa" z.B., einem dreistöckigen Museum über die afrikanische Kultur und Religion in Kuba, war das zweite Stockwerk, das den Hauptteil ausmachte, wegen Restaurierung geschlossen. Diese "Kleinigkeit" wurde einem beim Eintritt natürlich nicht mitgeteilt, und man musste den vollen Preis berappen. So habe ich meinen Obolus in Form von 2 Dollar entrichtet und dann nach 15 Minuten zu meinem Erstaunen festgestellt, dass ich schon alles gesehen habe - eben weil der größte und interessanteste Teil gar nicht zugänglich war. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch noch der Besuch im Casa de Humboldt, dem Humboldt-Haus, in der Altstadt von Havanna. Dies war ausnahmsweise kostenlos, und dort arbeitet eine Kubanerin als Führerin, die deutsch spricht. Offenbar sehr verdächtig fürs Regime: Eine ihrer Kolleginnen lief mit einem modernen Handaufnahmegerät dicht hinter uns, um ja jedes Wort, das auf Deutsch gesprochen wurde, aufzuzeichnen. Hastig wurden dafür während der Führung sogar die Fensterläden geschlossen, um die Lärmkulisse von außen zu dämpfen. Die Lichtverhältnisse haben darunter zwar gelitten, aber jedenfalls hatte das Regime seine Aufnahme! Ich bezweifle allerdings, dass die Unmengen an gesammelten Materials über die Bevölkerung und Touristen jemals ausgewertet werden können. Das Castro-Regime sitzt wahrscheinlich - wie die DDR früher - auf hunderttausenden von Tonnen von Material und Infos, die von keinem noch so großen bürokratischen Kontrollapparat der Welt mehr verdaut werden können, auch in zwanzig Jahren nicht. Aber das ist nur ein Widerspruch von so vielen in diesem System (vgl. hierzu noch einige Anmerkungen weiter unten).

Essen und Ausgehen

Um es vorwegzunehmen: Das Essen in Kuba ist für unseren Geschmack denkbar fade. Es scheint sich damit dem Sozialismus angepasst zu haben: Alles ist gleich und alles ist ohne Pep! Wer denkt, er würde in Kuba kulinarische Kostbarkeiten oder karibisch-feurige Speisen finden, der wird eine herbe Enttäuschung erleben. Aus mir unerfindlichen Gründen, zu denen mir auch die einheimischen Kubaner keine befriedigende Auskunft geben konnten, hat sich die Tradition des pikanten, scharfen Essens, die in Afrika und im übrigen Mittelamerika weit verbreitet ist, in Kuba nicht durchsetzen können - oder sie muss im Laufe der Jahre ausgestorben sein. Alle Speisen sind nur sehr schwach gewürzt, auch in den besseren Restaurants. Am ehesten kommt man da noch in italienischen Restaurants auf seine Kosten. Aber Vorsicht bei dem Kleingedruckten in der Speisekarte: Für eine kleine Portion Parmesan zu den Spaghetti in dem ansonsten recht ordentlichen Restaurant "Prado y Neptuno" mit der gleichnamigen Adresse wurden uns z.B. je 1,50 US-Dollar extra berechnet. Die Rechnung muss man generell in jedem Restaurant und in jeder Kneipe überprüfen.
Unregelmäßigkeiten (zuungunsten des Gastes) waren meiner Erfahrung nach nicht selten, und auch die Reklamation führte nicht unbedingt dazu, dass die korrigierte Rechnung richtig war.
Vom Preisniveau liegen die durchschnittlichen Restaurants etwas unter dem Niveau in Deutschland; die etwas besseren Restaurants liegen aber z.T. deutlich darüber. Geschmacklich wird der europäische Standard dabei nur selten erreicht. Mit anderen Worten:
Das Preis-/Leistungsverhältnis ist beim Essen nicht gut , was aber dadurch abgemildert wird, dass man bei dem heißen Klima weniger zu essen braucht. Besonders preiswert und auch durchaus nahrhaft wie wohlschmeckend sind die sog. "cajitas", die man öfters an Straßenecken bekommt und die vorwiegend von Kubanern gekauft werden. Hierbei handelt es sich um Essenspackungen in einem Pappkarton, von der Größe her vergleichbar mit den Packungen, die es bei uns in den China-Schnellrestaurants gibt (also eine ordentliche Portion). Gefüllt sind diese cajitas meist mit Reis, schwarzen Bohnen, Kartoffeln, etwas Gemüse und einer Fleischsorte nach Wahl (Schweinefleisch oder Hühnchen). Kostenpunkt: Ca. 20 Pesos, was einem US-Dollar entspricht. Dafür muss man die cajitas mitnehmen oder woanders essen, da sie nur an der Strasse verkauft werden; die Plastikgabel gibt's dafür meist kostenlos dazu. Die Sandwiches hingegen, die ebenfalls überall angeboten werden, sind nur für den Notfall zu empfehlen: Da keine Butter verwendet wird (Mangelware), ist der Genuss von Sandwiches eine eher dröge Angelegenheit. Ein sehr gutes und auch preiswertes Restaurant, wenngleich die Inneneinrichtung für meinen Geschmack nicht sehr stilvoll war und der Gebrauch der Klimaanlage - wie so oft - übertrieben wurde, habe ich in Vedado in der Calle O, einer Seitenstraße der bekannten Calle 23 (La Rampa) entdeckt. Direkt ca. 10 m hinter der Eckkneipe "Sofia" auf der rechten Seite (von La Rampa kommend) befindet sich eine italienische Trattoria. Dort bekommt man bessere Spaghettis als in Europa, und das zu günstigen Preisen: Eine Portion Spaghetti "Carbonara" hat mich incl. Brot und original Parmesan nur 3,25 Dollar gekostet. Die Bedienung ist freundlich und aufmerksam und die Rechnung stimmte immer.
Wer dagegen eine etwas gehobenere Atmosphäre sucht (für kubanische Verhältnisse), dem kann ich das Restaurant "El Aljibe" im Stadtteil "Miramar" (Av. 7ma, zwischen 24 y 26) empfehlen. Für 12 Dollar kann man sich dort mit dem Hausgericht
"Pollo Asado" (gebratenes Hühnchen, Reis, Bohnen, Pommes Frites und Bananenchips) satt essen. Die Portionen sind riesig, so dass man guten Hunger mitbringen sollte. Eine Portion Salat kann man sich durchaus zu zweit teilen. Das Essen ist auch "normal", d.h. entsprechend unseren Gewohnheiten, gewürzt und schmeckt "gut", was aber andererseits nicht bedeutet, dass man nun etwas wahrhaft Besonderes im Sinne geschmacklicher Finessen erwarten könnte; das Essen ist vielmehr nur "normal" gut. Allerdings verfügt das Restaurant über eine Reihe ganz hervorragender (und auch entsprechend teurer) Weine. Für kubanische Verhältnisse mag das Restaurant damit zu Recht als herausragend gelten, bei nüchterner Betrachtung sind jedoch 12 Dollar für ein halbes Hähnchen mit Reis und Bohnen (ohne Salat) in meinem Augen doch vergleichsweise teuer, zumal 12 Dollar einem ganzen durchschnittlichen 12 Dollar für Monatsverdienst eines Kubaners entsprechen. Die kritischen Anmerkungen zum Preis-/Leistungsverhältnis in Kuba, die oben bereits erwähnt wurden, müssen daher auch hier angebracht werden.

Was Kneipen und Diskotheken anbelangt, so sind meine diesbezüglichen Erfahrungen sehr lückenhaft, da ich sicher nur einen Bruchteil dieser Lokalitäten besucht habe, die Havanna aufzuweisen hat. Während der Tageszeit sind meiner Erfahrung nach fast alle Kneipen zu empfehlen, besonders in Havanna Vieja, aber auch in Vedado. In fast allen Kneipen gibt es Live-Musik, wobei das hier mittlerweile wohlbekannte "Chan Chan" in dem Repertoire keiner Gruppe fehlt. Die Musiker, die sich in den Gaststätten ein bißchen Kleingeld (nach unseren Maßstäben) hinzuverdienen, sind zum Teil sehr hochkarätig und echte Künstler ihres Faches. Vom Kauf irgendwelcher CDs, die in der Folge fast immer angeboten werden, würde ich allerdings abraten, es sei denn, die Musik ist so einzigartig, dass man sie anderswo nicht bekommen kann. Bei vielen CDs handelt es sich um
Schwarzkopien , die mittels eines PC-Brenners hergestellt worden sind und die nicht die Qualität aufweisen wie die authentischen CDs . Meist erkennt man die nachgemachten CDs am Cover, das mit einem Farbkopierer oder Farbdrucker vervielfältigt worden ist.
Ein besonderer Tip für einen Kneipenbesuch ist das Café, das sich oben auf dem Dach des Museo Nacional de Historia Natural an dem Plaza de Armas in Havanna Vieja am Fuße der Calle Obispo befindet. Man geht durch den Museumseingang und gelangt zu einem Aufzug, der einen direkt zu besagtem Café befördert. Von hier hat man einen herrlichen Ausblick über die Bahia und über einen großen Teil der Altstadt, und das alles zu Preisen, die nicht überteuert sind.
Für den Abend bzw. für die Nacht ist es mit dem Empfehlungen etwas schwieriger. In Havanna Vieja stehen, wie oben erwähnt, vor jeder Kneipe Polizisten, was viele Kubaner und Kubanerinnen vom Eintritt abhält. Generell sind aber diejenigen Gaststätten am ehesten zu empfehlen, in denen sich überwiegend Einheimische aufhalten. Diese sind erstens nicht überteuert, was fast für alle Touristen-Kneipen der Fall ist, und zweitens reist man ja nicht über 9.000 km, um sich dann im Urlaub nur mit Landsleuten oder anderen Touristen aus Europa zu unterhalten; so sehe ich dies jedenfalls. Eine Empfehlung in dieser Hinsicht ist die bereits erwähnte Kneipe/Bar "Sofia" an der Calle 23 (La Rampa), unterhalb des Habana Libre Hotels. Hier herrscht abends gute Stimmung, das Publikum ist gemischt, und das Musikprogramm ist hervorragend. Sicherlich trägt zur guten Atmosphäre bei, dass die Bar wie viele Kneipen nach zwei Seiten zur Straße hin völlig offen ist. Verqualmte "Räucherschuppen" wie bei uns gibt es in Havanna zum Glück so gut wie nicht (dafür ist die Luft in Havanna schon schlecht genug, s. oben). Bei Diskotheken, und vor allem solchen, die vorwiegend von Touristen besucht werden, ist Vorsicht anzuraten. Die Preise sind vergleichsweise hoch, und nicht selten wird man als Ausländer geneppt, weil man viel mehr bezahlen muss als Kubaner, die die wahren Preise kennen. Eine äußerst gute Diskothek hingegen mit einer Bombenstimmung, gut gemischtem Publikum, das vorwiegend aus Einheimischen bestand (Alter ca. 18-40), hervorragender Musik und moderaten Preisen, war die Diskothek "Oasis", die etwa auf mittlerer Höhe des Prado liegt. Der Eintritt beträgt 4 Dollar, allerdings bekommt man zwei Getränke nach Wahl hierfür; da kann man nicht klagen. In den späteren Nachtstunden beziehen aber auch hier vor dem Eingang zwei bis drei Polizisten Posten, die gelegentlich auch bis ins Innere der Diskothek vordringen - der Staatsapparat schläft halt nie.

Die Menschen in Kuba

Was mir während meines Besuches in Kuba aufgefallen ist, ist die ausgesprochene Freundlichkeit der Kubaner. Ich habe selten eine durchweg so friedfertige und kontaktfreudige Bevölkerung erlebt. Aggression, die man bei uns vielfach an Wochenenden zu vorgerückter Stunde in Kneipen wahrnehmen kann, oder gar Neid gegenüber den vergleichsweise wohlhabenden Touristen, die ins Land strömen, habe ich während meinen beiden Besuchen auf Kuba nicht feststellen können. Die Kubaner verfügen offenbar über eine sehr hohe Sozialkompetenz und auch über ein großes Maß an Bescheidenheit.
Man wird überall angesprochen und auch angeschaut. "Weggucken" und Anonymität kommen in Kuba kaum vor . Das ganze Leben findet mehr oder weniger auf der Straße statt. Ebenfalls bemerkenswert - für unsere Verhältnisse - ist, dass sich durchweg alle Leute duzen, egal ob groß und klein und egal aus welcher sozialen Stellung und Berufsschicht; auch Polizisten werden geduzt. (Um dies zu bemerken, muss man freilich ein bißchen Spanisch verstehen.) Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass die Leute es sehr wohl wahrnehmen und in der Regel dann auch mit besonderer Freundlichkeit quittieren, wenn man sie als Tourist mit dem "Sie" (natürlich auf Spanisch) anredet. Für den Touristen kann die Verwendung der Höflichkeitsform daher keinesfalls schaden.

Es wäre einmal interessant, eine soziologische Studie anzustellen, wieso die Phänomene der Gewalt und Aggression in der kubanischen Gesellschaft kaum anzutreffen sind. Ich kann mir dies nur so erklären, dass die Leute aufgrund der Insellage, des Aufeinander-Angewiesenseins und der ständigen Kommunikation untereinander gelernt haben, auch in schwierigen Situationen miteinander auszukommen. Hinzu kommt die karibisch-afrikanische Lebensfreude und Tradition, die wohl klimatisch und historisch bedingt ist. Welche Rolle die immerwährende Polizeipräsenz und das drakonische Strafrecht, das für "unsozialistisches" Verhalten bereits langjährige Freiheitsstrafen vorsieht, hierbei zusätzlich spielen, vermag ich nicht abzuschätzen. Jedenfalls werden Streitigkeiten nach meinem Eindruck in der Regel durch Gespräche und Diskussionen beigelegt. Diese können schon einmal lautstark sein, aber dabei bleibt es auch. Diese Fähigkeit, den konstruktiven Umgang mit Problemen und Schwierigkeiten, über die die Kubaner verfügen, ist offenbar erheblich stärker ausgeprägt als in unserer Gesellschaft. Bei uns ziehen sich Leute angesichts von Problemen eher zurück oder, noch schlimmer, greifen vielfach zu Gewalt, sinnloser Zerstörung oder Drogenkonsum. Letzteres kann man in Havanna nirgends sehen.

Dabei gibt es nach unseren Maßstäben eigentlich nicht viel zu Lachen für die Kubaner. Das Leben ist hart und die wirtschaftliche Lage ist - ohne Übertreibung - katastrophal. Vor allem Leuten, die viel auf der Straße leben, kann man dies ansehen. Sie sehen im Gesicht häufig 5 bis 10 Jahre älter aus, als sie sind. Wer's nicht glaubt, sollte beim nächsten Kuba-Besuch einmal die Leute nach ihrem Alter fragen. Ob dies nur am Zigarren-Rauchen liegt, das in Kuba naturgemäß weit verbreitet ist, muss bezweifelt werden. Vielmehr dürften es die Lebensumstände insgesamt sein, vor allem aber die schlechte Ernährung, die sich im Körper und in den Gesichtszügen widerspiegelt. Der
Durchschnittsverdienst der Leute, die Arbeit haben, liegt nach dem, was ich erfahren konnte, im Schnitt zwischen umgerechnet 7 und 12 Dollar - monatlich (!) . Damit muss ein Familienvater dann seine Familie ernähren, und das bei einem Preisniveau, dass zum Teil erheblich über dem unseren liegt. Natürlich gibt's für jeden ein paar Pfund Reis und Bohnen umsonst, gerade genug, um die Leute soeben am Leben zu halten. Aber essen Sie mal eine Woche nur Reis und Bohnen! Seit der Einführung des US-Dollars als offizielles Zahlungsmittels vor einigen Jahren gibt es nunmehr alles außer Reis und Bohnen sowie ein paar tropischen Früchten, kurzum alles, was qualitativ darüber steht, nur noch gegen Dollars. Dollars haben die Kubaner aber nicht. Zudem sind die Preise wie gesagt exorbitant: Eine einfache Plastikflasche Speiseöl im Supermarkt kostet z.B. 2,40 USD (entspricht derzeit: 5,50 DM) und eine Packung Milch 1,85 USD (= 4,25 DM). Ich habe täglich bereits, ohne in Luxus zu schwelgen, zwischen 35 und 55 Dollar ausgegeben - das drei- bis fünffache dessen, womit eine Familie auskommen muss, allerdings einen ganzen Monat lang (!).

Jetzt wissen Sie, wieso man ständig von Kubanern und Kubanerinnen auf der Straße angesprochen wird, die einen um einen Dollar anbetteln oder Zigarren, Taxis oder andere Dienstleistungen anbieten. Die Leute sind verzweifelt und gehen sprichwörtlich "auf dem Zahnfleisch". Die beruflichen Aussichten sind dabei mehr als düster.
Weiterbildung und der Erwerb von Qualifikationen, wenn man angesichts des Rückstands Kubas auf den meisten technischen Gebieten überhaupt von "Qualifikation" sprechen kann, zahlen sich nicht aus. Die höchsten Gehälter beziehen - auf Weisung Castros persönlich - einfache Straßenpolizisten (!). Mit monatlich 850 Pesos, umgerechnet etwa 40 USD, verdienen sie mehr als das Doppelte wie Ärzte, Professoren oder Ingenieure. Beschließt ein Straßenpolizist, sich weiterzubilden und z.B. Englisch zu lernen, kann es sein, dass er in den Innendienst versetzt wird und sodann erheblich weniger verdient.
Viele Jugendliche, mit denen ich sprechen konnte,
haben angesichts dieser Situation resigniert. Sie machen keine richtige Ausbildung , lernen nicht mehr weiter und verweigern obendrein, zu arbeiten. Verübeln kann man es ihnen nicht, denn wer möchte schon für 7 Dollar im Monat harte Arbeit verrichten. Jeder Strafgefangene in Deutschland bekommt mehr an Taschengeld als der im "sozialistischen Paradies" für seinen Unterhalt schuftende Kubaner. Da sich diese Politik der totalen Einebnung des kulturellen, bildungsmäßigen und geistigen Lebens erfahrungsgemäß erst zeitversetzt, d.h. 20 bis 30 Jahre später, so richtig auswirkt, dürften die Aussichten Kubas auch für die nächsten Jahrzehnte sehr schlecht sein. Und für den, der nichts gelernt hat und der über keine Qualifikationen verfügt, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind, bringen auch der "Kapitalismus" und eine freie Marktwirtschaft erfahrungsgemäß keine besonderen Vorteile.

Wie schlecht es der Bevölkerung in wirtschaftlicher Hinsicht geht, kann man in Gesprächen mit den Leuten erfahren. Ich habe da haarsträubende Geschichten erlebt:
Mütter, die keine Milch für ihr Baby hatten (Milch gibt es für Mütter nur für die ersten 6 Wochen) ; hochgebildete Männer, die bei uns zur absoluten Oberschicht gehören würden, die aus Geldnot Taxi fahren müssen, Universitätsprofessoren, die in einer Bar servieren müssen , usw. Dennoch hört man nur selten laute Klagen. Meist beschweren sich die Leute nur im Privatgespräch, und auch das nur hinter vorgehaltener Hand. Seit Anfang der 90er Jahre gibt es keine lauten Rufe mehr auf der Straße, dafür nur noch ein mehr oder weniger lautes "psssst! psssst!", das man allerorts tagaus tagein vernehmen kann. Die Polizeidiktatur hat ihre eigenen Umgangsformen geschaffen... Welchen Hunger die Leute z.T. haben, kann man erleben, wenn man mal die Gelegenheit hat, Freunde auf Kuba zum Essen in ein Restaurant einzuladen - einen Luxus, den sich Familien dort niemals leisten könnten: Ich habe mehrfach die Erfahrung gemacht, dass das Essen geradezu "verschlungen" und der Teller stets bis zum letzten Krümel geleert wurde. Vor einem Hähnchen-Restaurant (die Kubaner lieben "pollo") bettelte obendrein eine ältere Dame um die abgenagten Knochen auf unseren Tellern, angeblich nur für ihren Hund... Gerade für Ältere, die man immer häufiger betteln sieht, muss die Lage in Kuba wirklich schlimm sein.

Wie geht es weiter mit Kuba? Kann man als Tourist noch dorthin fahren? Im Vergleich zu meinem letzten Besuch vor einigen Jahren, haben sich die Zustände in Kuba leider nochmals drastisch verschlimmert. Polizeipräsenz und Unterdrückung der Bevölkerung durch den Staatsapparat haben zugenommen, und die wirtschaftliche Spirale dreht sich in einer immer rasanteren Geschwindigkeit abwärts.
Mittlerweile ist fast alles nur noch gegen Dollars erhältlich, die die Leute aber nicht haben. Die Gegensätze auf den Straßen sind dabei unübersehbar. Neben schrottreifen Ladas, aufpolierten und zusammengeflickten Chevrolets aus den Fünfzigern, Fahrradtaxis, stinkenden Bussen und LKWs aus dem Ostblock oder aus Afrika, sieht man zusehends teure Limousinen westlicher Herkunft. Französische, japanische Karossen und Mercedes-Schlitten der gehobenen Preisklasse säumen zunehmend die Straßen, sogar ein Porsche ist mir aufgefallen. Politiker, die versuchen, mit Touristen Kontakt aufzunehmen, eine zunehmende Bestechlichkeit der Polizei (konkrete Beispiele möchte ich hier nicht bringen) und ein Regime, das inzwischen "hypernervös" auf die leisesten Anzeichen einer Störung reagiert. So wurde die Polizei in Havanna nochmals verstärkt, und ich habe selbst Polizeiaktionen beobachtet, bei denen 30 bis 40 Polizisten angerückt sind, nur um eine einzige Frau festzunehmen. Die Anzeichen für einen zunehmenden Verfall des Regimes sind unverkennbar, auch wenn niemand offen davon spricht. Man hat den Eindruck, dass viele Leute bereits versuchen, ihre Schäflein ins Trockene zu bringen - vor dem erwarteten Zusammenbruch, von dem niemand genau weiß, wann er kommt.

Die schwierige wirtschaftliche Lage allein wird dabei das System aber nicht ohne weiteres zum Einsturz bringen, das hat die Entwicklung der letzten Jahre deutlich gezeigt. Das gegen Kuba verhängte Embargo dürfte eine der größten außenpolitischen Fehleinschätzungen der USA gewesen sein, die mittlerweile bei ihrer Mittel- und Südamerikapolitik der letzten Jahrzehnte auf eine beachtliche Reihe von Mißerfolgen zurückblicken müssen. Das
Embargo der USA hat nicht nur wenig bewirkt, abgesehen von der Tatsache, dass vor allem Kinder und Ältere betroffen werden, weil die Versorgung mit wichtigen Medikamenten völlig unzureichend ist. Vielmehr dient es Castro nun als willkommene und bequeme Rechtfertigung für die von ihm selbst herbeigeführte desolate wirtschaftliche Lage, und viele Kubaner, die ihrem Land sehr emotional und nationalistisch gegenüberstehen, neigen dazu, dies zu glauben. Dies war jedenfalls der Eindruck, den ich in Gesprächen mit der Bevölkerung gewinnen konnte. Ausländische Zeitungen, Fernseh- und Radiosender, ebenso wie das Internet, sind natürlich verboten, und die Kubaner sind auf die zwei Staatskanäle des offiziellen kubanischen Fernsehens angewiesen (Eine deutsche Zeitung ist in Havanna für Touristen erhältlich: Im Hotel National gibt es mit Verspätung viermal die Woche die "Neue Züricher Zeitung" zum Preis von 3 US Dollar, was ca. 6,90 DM entspricht). Wer sich noch an DDR-Zeiten erinnert, kann sich die Art und Weise der offiziellen Berichterstattung ausmalen: Neben Personenkult und Revolutionsparolen satt besteht die offizielle Welt außerhalb Kubas nur aus Verbrechen, Drogenkonsum, Terror und Rassismus. Jeder Kubaner, der über ein Fernsehen verfügt, weiss über die rechtsradikalen Anschläge (abgesehen von den Hintergründen) in Deutschland offenbar bestens Bescheid. Viele Kubaner denken, dass Deutschland voll von Rassisten sein muss, und haben mir gegenüber ihre Angst geäußert, dorthin zu fahren. Dennoch schienen mir die Leute in Kuba, zumindest soweit es die Lage in Süd- und Mittelamerika betrifft, recht gut informiert zu sein. Und trotz der Schwarz-/Weiß-Berichterstattung durch die immerwährende staatliche Propaganda haben die meisten Leute sich, wenn wir über Politik geredet haben, in einer eher moderaten und abgewogenen Weise geäußert. Abgesehen von einigen Jugendlichen, bei denen dies Ausdruck ihrer Altersentwicklung gewesen sein mag, habe ich zu keiner Zeit "rebellische" oder radikale Äußerungen vernommen. Nun kann ich meine Erfahrungen zwar nicht als repräsentativ bezeichnen, aber nach meinem Eindruck ist die Bevölkerung ebenso duldsam gegenüber den schlechten Verhältnissen wie vor drei Jahren.

Anders wird dies möglicherweise sein, wenn Castro einmal einen Schwächeanfall haben sollte oder ihm gar Schlimmeres zustößt. In diesem Jahr wird er 75 Jahre alt, was für einen Staatspräsidenten schon extrem alt ist. In dem Alter kann in gesundheitlicher Hinsicht jeden Tag etwas passieren, und das ist wohl der Punkt, der die Lage in Kuba tendenziell unsicher macht. Man kann sicher nicht ohne weiteres vorhersagen, was in Kuba passieren wird, wenn Castro - aus welchen Gründen auch immer - abtritt. Aber eine mehr als 40jährige Diktatur wird bestimmt nicht geräuschlos zu Ende gehen, schon gar nicht in einem Karibikstaat. Auch wenn die Kubaner meines Erachtens zu den friedlichsten Völkern gehören, die ich bislang erlebt habe, muss man bedenken, dass das Land über eine gewaltige, bis an die Zähne bewaffnete und hochkarätige Polizei- und Militärtruppe verfügt. Hinzu kommen über eine Million Exilkubaner in den USA sowie abertausende Regimegegner, die in den letzten Jahrzehnten unterdrückt wurden und die bei einem Wandel der Verhältnisse in ihrem Lande mit großer Wahrscheinlichkeit ein Wörtchen mitreden möchten. Als Tourist sollte man in diesem Fall sehen, dass man schnellstmöglich aus dem Lande herauskommt. Vielleicht bin ich da zu pessimistisch, aber ich muss einräumen, dass mich genau diese Überlegung in Havanna doch das eine ums andere Mal bedrückt hat. Im
staatlich kontrollierten Fernsehen oder im Radio würde man natürlich nicht sofort mitbekommen, wenn Castro etwas zustößt oder wenn irgendwo im Lande eine Rebellion ausbricht. Das einzige, was man ständig sieht, sind eine übergroße Polizeipräsenz und deren hektische Aktivitäten, vor allem bei Festnahmen. Dies hat bei mir manchmal die Befürchtung geweckt, dass vielleicht irgendwo im Lande etwas Bedeutendes passiert sein könnte und dass ich Kuba besser verlassen sollte. Glücklicherweise hat sich diese Befürchtung während meines Aufenthalts nicht bestätigt. Aber dennoch blieb immer ein etwas mulmiges Gefühl. Der Polizeiapparat verbreitet eine Atmosphäre der latenten Bedrohung. So habe ich es jedenfalls empfunden.

Mein persönliches Resümee

Kuba ist ein hochinteressantes Land. Mit Schwarz-/Weiss-Kategorien, vor allem solchen, die noch aus Zeiten des Ost-West-Gegensatzes stammen, lässt sich das Land nicht beschreiben. Viele von den eigenen Vorurteilen und Klischees, die ich selber besaß, mußte ich nach der persönlichen Begegnung mit den Leuten vor Ort abbauen bzw. ändern. Natürlich kommt einem als "rationaler" Europäer vieles grotesk, unverständlich und bisweilen auch geradezu unerträglich vor, so dass man sich fragt, wie die Bevölkerung das nur aushält. Doch darf man nicht vergessen, dass Mittelamerika, und speziell die Karibik, eben nicht Europa ist. Die Leute haben eine grundsätzlich andere Gedanken- und Vorstellungswelt als in Europa und sehen vieles emotional, wo wir anfangen, rational zu urteilen. Ausserdem fehlt den Kubanern offenbar die Stringenz und die Konsequenz, mit der Sachen bei uns in der Regel durchgezogen werden. Die eher laxe Haltung in den meisten Dingen verleiht auch dem Polizeistaat eine menschlichere Note und macht vieles im Endeffekt wieder erträglicher. Nach unserem Empfinden herrscht in Kuba ohne Zweifel eine Diktatur. Aber wenn man über Kuba ein Urteil abgeben möchte, sollte man als primären Vergleichsmaßstab zunächst die anderen Staaten in der Karibik und in Mittelamerika heranziehen, und nicht in erster Linie Deutschland oder Frankreich. Wenn man sich eine gewisse Offenheit bewahrt und nicht gleich in Bausch und Bogen alles in Kuba abtut, erschließen sich einem doch sehr interessante Eindrücke und Einsichten. Gerade die fundamentalen Unterschiede zwischen Kuba und dem Leben in Deutschland, genauer die Konfrontation mit diesen Unterschieden, hat den Urlaub für mich zu einer sehr lohnenden Erfahrung gemacht. Eine Erfahrung, die man in Europa in dieser Form nicht ohne weiteres finden kann.
Wer allerdings Strandurlaub à la Spanien oder Griechenland sucht, der ist meines Erachtens mit Kuba eher schlecht beraten. Zum einen ist Kuba vergleichsweise teuer, zum anderen ist es nicht jedermanns Sache, hinter bewachten und abgezäunten Hotelarealen, zu denen die Bevölkerung keinen Zutritt hat, einen entspannten Urlaub zu verbringen. Wie man nun politisch zu Kuba steht und vor allem, wie man die Risiken abschätzt, in ein solches Land zu fahren, muss jeder für sich selbst beurteilen. Momentan scheint die allgemeine Lage noch sehr stabil zu sein. Die Bevölkerung hat sich in langer Übung mit dem System und den Zuständen mehr oder weniger arrangiert, und das Leben verläuft fast so "normal" wie bei uns. Für Touristen ist Kuba daher zur Zeit ein vergleichsweise sicheres Pflaster - so hat man weder Kriminalität noch irgendwelche gefährlichen Krankheiten zu befürchten. Aber auf der anderen Seite sollte man sich stets vergegenwärtigen, dass man sich in Kuba in einer Polizeidiktatur befindet, die theoretisch auch jeden Tag umschwenken könnte. Vielleicht heute, vielleicht morgen, vielleicht aber auch erst in zwei oder in fünf Jahren. Ich für meinen Teil werde noch einmal hinfahren, allein aufgrund der vielen herzlichen Kontakte und Freundschaften, die ich dort habe schließen können und die die geschilderten Widrigkeiten für mich bei weitem aufwiegen.

Friedhelm K.

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