USA und EU gegen Kuba


Zu den militärischen Provokationen der USA gegen Kuba, dem imperialistischen Projekt der Bush-Regierung und der Position der Europäischen Union




(von Prof. Dr. Heinz Dieterich, Universidad Autónoma Metropolitana, Mexiko-Stadt
Übersetzung: Harald Neuber; veröffentlicht am 14.7.2003 in
Neue Welt



Zum zweiten Mal innerhalb von fünf Wochen hat US-Präsident George W. Bush am 20. Mai 2003 versucht, einen militärischen Zusammenstoß zwischen der US-Armee und den Revolutionären Streitkräften Kubas zu provozieren, um eine militärische Intervention auf der Insel durchführen zu können.
Das Komplott – eine koordinierte Aktion zwischen dem Nationalen Sicherheitsrat der USA, der CIA, dem Pentagon und Spezialisten für politische Subversion aus der Ära Ronald Reagans, wie dem Sonderberater des Präsidenten für die westliche Hemisphäre, Otto Reich, lief wie folgt ab:
An besagtem Tag intervenierte das offizielle antikubanische Propagandasystem Washingtons, die »US Office of Cuba Broadcasting«, bekannt unter dem Namen Radio/TV Martí, auf vier Radio- und Fernsehfrequenzen, die rechtmäßig Kuba zugeteilt sind, und störte die Übermittlung von Bildungsprogrammen, Nachrichten- und Unterhaltungssendungen des kubanischen Staates.
Es handelte sich jedoch nicht um eine simple Verletzung der weltweit gültigen Normen der Internationalen Union für Telekommunikation und der Rechte einer souveränen Nation. Vielmehr wollte das Weiße Haus einen militärischen Konflikt provozieren: Die rechtswidrigen (Stör-)Sendungen auf den vier kubanischen Frequenzen wurden von einem Flugzeug der US-Luftwaffe aus dirigiert, in der Erwartung, daß sie zu einem Luftkampf mit kubanischen Jagdflugzeugen führen würden.
Bei dem »Köderflugzeug« handelte es sich um eine Maschine des Typs »EC-130E Commando Solo« der Einheit »193rd Special Operations Wing«, einem Luftwaffengeschwader der Nationalgarde, die in Harrisburg/ Pennsylvania stationiert ist. Diese Einheit gehört zu einem Sonderkommando der regulären Luftwaffe der USA, das unter dem Namen »Air Force Special Operations Command« (AFSOC) operiert. Das Hauptkommando dieser Einheit befindet sich in Hurlburt Field/Florida. Das AFSOC seinerseits bildet eine Untergruppe des »U.S. Special Operations Command«, das von der Luftwaffenbasis McDill kommandiert wird – ebenfalls in Florida.

Die kriegerische Geschichte der verantwortlichen Akteure
Das 193. Geschwader der »Special Operations Wing« hat eine lange Geschichte in der US-Interventionspolitik. Sein Ursprung geht auf die Militärbesetzung der Dominikanischen Republik im Jahre 1965 zurück. Damals wurde den Militärstrategen in Washington einmal mehr klar, daß die psychologische und elektronische Kriegführung für die militärischen Aggressionen in Zukunft eine immer größere Rolle spielen würden und daß das Geschwader 193 dafür vorzubereiten sei.
Dies führte in den sechziger Jahren zur Beteiligung der Sondereinheit im Vietnamkrieg und in Kambodscha, später in Granada (1983), Panama (1989), im Krieg gegen Irak in Kuwait (1990/91), in einer Operation gegen Haiti (1994) sowie in Jugoslawien (1999). Untereinheiten der AFSOC waren im Einsatz in Somalia beteiligt.
Während am 20. Mai dieses Jahres die Operation der AFSOC gegen Kuba in vollem Gang war und George Bush im Weißen Haus mit den exilkubanischen Terroristen Jesús Peñalver Mazorra und Ernesto Díaz Rodríguez – beide in Mordpläne gegen den kubanischen Präsidenten Fidel Castro verwickelt – international überwachte »freie Wahlen« auf Kuba forderte, befand sich mit José Basulto auch einer der führenden Köpfe der antikubanischen Organisationen Miamis, der Vereinigung »Hermanos al Rescate«, in der Luft.
Er überflog die Gewässer nördlich von Kuba entlang der Seegrenze zu den USA mit der Absicht, Fernsehsignale nach Kuba auszustrahlen, während sechs Kampfflugzeuge der USA in Gefechtsbereitschaft in der Luft waren. Die geplanten Propagandasendungen Basultos schlugen aufgrund eines technischen Defektes seines Senders fehl. Dies war jedoch sekundär für die Konspiration des Weißen Hauses wie zwei Indizien zeigen.
Bereits 1996 waren zwei Kleinflugzeuge der »Hermanos al Rescate« in einer ähnlichen Propagandamission über kubanischem Territorium nach mehreren Warnungen abgeschossen worden. Nur die Besonnenheit Präsident Clintons verhinderte damals einen US-Luftangriff auf die kubanische Luftwaffenbasis San Antonio de los Baños, den die Terroristenorganisationen Miamis und die ihnen hörigen US-Generäle forderten.
Das zweite Indiz besteht darin, daß die zuständigen US-Behörden vor dem 20. Mai über diplomatische Kanäle der kubanischen Regierung mitteilten, daß sie Basulto über die Rechtswidrigkeit seiner geplanten TV-Ausstrahlungen informiert hätten. Diese Information diente dazu, den Kubanern zu versichern, daß Basulto eine Wiederholung seiner subversiven Propagandaaktivität von 1996 auf höherem Niveau vorhatte.
José Basulto ist einer der einflußreichsten Aktivisten im schmutzigen Krieg Washingtons gegen Kuba. Über Jahre hinweg war er ein enger Vertrauter des CIA-Agenten und kubanischen Terroristen Félix Rodríguez, der Ernesto Che Guevara nach seiner Festnahme in Bolivien »verhörte« und den Aggressionskrieg Ronald Reagans gegen die Sandinisten in Nicaragua mitorganisierte. Nach der Revolution 1959 war Rodríguez, ein Neffe des Ministers für öffentliche Aufgaben unter dem Diktator Batista, aus Kuba in die USA geflohen und hatte sich freiwillig der CIA angedient.
1967 war Rodríguez verantwortlich für die US-bolivianischen Kompanien A und B, denen es gelang, den verletzten Che Guevara lebend zu fassen. Rodríguez war es, der den Befehl zur Exekution des Guerilleros an seine Soldateska weitergab. Sein einziger Einwand bestand darin, daß die Soldaten Che nicht ins Gesicht schießen sollten, damit es nicht wie der politische Mord aussah, der es war.
Später, 1986, war Rodríguez einer der führenden Köpfe im schmutzigen Krieg gegen das sandinistische Nicaragua. Nach eigenen Angaben unterstand er direkt dem damaligen Vizepräsidenten George Bush, der zumindest drei direkte Zusammenkünfte bestätigt hat. Zu Rodríguez Verantwortlichkeiten zählten die Beziehungen zum kolumbianischen Medellín-Kartell, auch gehörte er zum inneren Kreis im »Iran-Contra-Gate«, bei dem mit Drogengeldern Waffen für die Contras in Nicaragua gekauft wurden.

Die Kriegspläne gegen Kuba und die »Achse des Bösen«
Vor diesem Hintergrund wird der Charakter des neuen Plans des amtierenden US-Präsidenten George W. Bush offensichtlich: Eine Provokation durch Basultos Organisation »Hermanos al Rescate« sollte nach dem Schema wiederholt werden, nach dem sie bereits am 24. Februar 1996 ablief. Diesmal aber wären die Konsequenzen für Kuba ungleich verheerender gewesen.
Im Februar 1996 waren zwei Flugzeuge der »Hermanos« in den kubanischen Luftraum eingedrungen und wurden von kubanischen MIG-Jägern abgeschossen. Der Zwischenfall wurde damals zum Anlaß genommen, die völkerrechtswidrigen Helms-Burton-Gesetze in den USA gegen Kuba zu verabschieden. Drei Jahre später verurteilte ein US-Richter den kubanischen Staat zudem und sprach den Hinterbliebenen der Piloten 70 Millionen Dollar Schadensersatz zu.
Die jüngsten Geheimpläne Washingtons zielen darauf ab, einen neuen casus belli zu schaffen, den Vorwand für einen Angriffskrieg gegen Kuba. Die kubanische Regierung ist im Mai nicht in die Falle gegangen. Hätte sie wie 1996 ihre Luftwaffe gegen das Übertragungsflugzug starten lassen, so hätten die Piloten wahrscheinlich entweder die EC-130E oder Basultos Flugzeug abgeschossen. Daraufhin hätten die sechs US-Jagdbomber entweder die kubanischen Militärflugzeuge oder militärische Ziele in Kuba angegriffen, wahrscheinlich die Basis von San Antonio de los Baños, und Kuba befände sich heute im Krieg.
Es handelt sich nicht um einen Einzelfall. Während die Bush-Administration ohne Pause ihre Kriegspläne gegen Kuba vorantreibt, schreitet sie auch an den Fronten gegen Nordkorea und den Iran voran. Der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul D. Wolfowitz – der jüngst in der britischen Zeitschrift Vanity Fair und im Springerblatt Die Welt offen zugab, daß dem Krieg gegen Irak keineswegs die Existenz von Massenvernichtungswaffen zugrunde lag, sondern daß dies lediglich eine »bürokratische« Angabe gewesen sei und daß die wahren Gründe in den irakischen Ölvorkommen und dem US-Rückzug aus Saudi-Arabien liegen würden – kündigte jüngst in Südkorea den Rückzug der US-Streitkräfte aus der entmilitarisierten Grenzzone zur Volksrepublik Korea an.
Nach Wolfowitz‘ Angaben werden sich die US-Truppen 75 Meilen aus der entmilitarisierten Zone bis in die Gebiete südlich der Hauptstadt Seoul zurückziehen. Damit befinden sie sich außer Reichweite der rund 14000 Artillerieeinheiten, die Nordkorea jenseits der Grenze errichtet hat. Dieser strategische Rückzug der US-Truppen ist die militärische Voraussetzung für einen Präventivschlag gegen Korea. Angesichts der militärischen Kräfteverhältnisse auf der Halbinsel und der topographischen Beschaffenheit der vorgesehenen Kampfzone könnte dieser Präventivschlag nur in zwei Szenarien verwirklicht werden: Entweder ein Luftangriff auf die nordkoreanischen Nuklearinstitute und der Drohung atomarer Vernichtung, falls Nordkorea militärisch reagiert, so wie Clinton das bereits vor Jahren ankändigte. Die zweite Möglichkeit bestünde in einem Überraschungsangriff mit extrem strahlungsintensiven Neutronenwaffen auf die Artilleriestellungen, was den Nachbarländern den nuklearen fall out eines Atomangriffs ersparen würde.
Für die bevorstehenden Angriffe gegen Nordkorea und Iran haben die USA bereits den Segen der größten und mächtigsten Terrororganisation der Geschichte bekommen: Bein Treffen der G 8 in Evián haben die deutschen Sozialdemokraten zusammen mit den Grünen, der republikanischen Rechten Frankreichs und den russischen Postkommunisten ihre wohlfeilen Ankündigungen über den Haufen geworfen, sich für eine multipolare Welt mit internationalen Rechtsinstitutionen einzusetzen. Sie alle sind vor dem neofaschistischen Projekt der USA zu Kreuze gekrochen.
Und wenn es gegen Kuba geht, wollen die Schröders, Putins und Chiracs dem neuen Führer der westlichen Welt nicht nachstehen. Am 26. März erklärte die Präsidentschaft der Europäischen Union in einer Presseerklärung, sie sei »sehr besorgt« über die Verhaftung von »unabhängigen Journalisten und Oppositionellen« auf Kuba und forderte deren Freilassung so schnell wie möglich. Denn schließlich handele es sich um »Gesinnungsgefangene«. Die Europäische Union werde dieses »Attentat gegen die politischen und zivilen Grundrechte« weiter beobachten, warnten die Brüsseler Bürokraten am Schluß ihrer Erklärung.
Am 5. Juni dann verkündete die Europäische Union »in tiefer Sorge wegen der fortschreitenden jüngsten Verletzungen der Menschenrechte auf Kuba«, eine Reihe diplomatischer Sanktionen gegen Kuba. Zu den neuen Maßnahmen zählt die Einschränkung bilateraler Besuche, die Überprüfung der Beziehungen und die Annäherung an Regierungsgegner, die künftig offiziell zu Staatsveranstaltungen eingeladen werden sollen. Schon vorher hatte die EU bereits den Aufnahmeantrag Kubas für das »Abkommen von Cotonou« auf Eis gelegt.
Die Heuchelei dieser Politiker kennt keine Grenzen. Mit ihrem Handeln legitimieren und legalisieren sie post festum das schlimmste Verbrechen, welches das Völkerrecht kennt: den Angriffskrieg, den Bush, Blair und Aznar im Irak begangen haben. Für dieses Delikt wurden die Nazis in Nürnberg und die japanischen Generäle in Tokio hingerichtet. Doch die europäischen Quislinge des neofaschistischen US-Weltprojektes haben absolut kein Problem damit, die auf Lügen, systematischer Irreführung der Weltöffentlichkeit und ständigem Rechtsbruch basierende Politik von Bush, Blair, Aznar und Berlusconi, zur allgemeinen Norm internationaler Politik zu machen und als Aggressionsplattform gegen Kuba zu verwenden.
Von diesen »zutiefst besorgten« Demokraten muß man das Schlimmste erwarten, wenn die EU-Präsidentschaft von Silvio Berlusconi innehat und zehn Vasallen Washingtons im Osten Europas der EU angeschlossen werden. Im Fall von Kuba ist nicht auszuschließen, daß eine Europäische Union dieser Art künftig die US-Blockade gegen Kuba mit einer eigenen Blockade ergänzen wird.


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