Nicht weniger als 638 Attentatspläne gegen Fidel Castro will Kubas Geheimdienst seit der Revolution 1959 vereitelt haben. Meistens steckten Exilanten oder die CIA dahinter.
Drei
Tage lang haben sich 2003 der US-Filmemacher Oliver Stone und Kubas Staatschef
Fidel Castro unterhalten - über die US-Politik, Flugzeugentführungen, Amnesty
International und den Tod des "Comandante".
Anfang 2002 hatten sich der Staatsmann und der Hollywood-Regisseur zum ersten
Mal getroffen. Daraus entstand der Dokumentarfilm "Commandante". In den USA
sollte der Film am 5. Mai 2003 ausgestrahlt werden; der Bezahlkanal HBO nahm ihn
aber aus dem Programm, weil Castro kurz zuvor drei Kidnapper nach einem
Schnellverfahren hatte hinrichten lassen.
Die Verschwörer wollten Kubas Revolutionsführer Fidel Castro
während eines Baseballspiels zur Strecke bringen. Wenn der sportbegeisterte "Màximo
Líder" in der ersten Reihe des "Stadium Latinoamericano" in Havanna aufspränge,
so ihr Plan, dann würden sie aus der sechsten Reihe eine Handgranate auf ihn
werfen. Um ganz sicher zu gehen, übten sie den Wurf auf den noch leeren Rängen
des Stadions einige Tage vor Spielbeginn mit Orangen. Das fiel auf, und statt
Geschichte zu schreiben, landeten die Männer im Gefängnis.
Der gescheiterte Anschlag vom September 1964 ist nur einer von mehr als 600
Attentatsplänen gegen Castro, die Kubas Geheimdienst nach eigenen Angaben
aufgedeckt hat. Einige davon sind im Museum des Innenministeriums in Havanna
dokumentiert. In einer Villa im Stadtteil Miramar preist es die Erfolge der
kubanischen Spionage und Spionageabwehr.
In Vitrinen sind ganze Waffenarsenale aus Maschinenpistolen,
Schnellfeuergewehren, Faustfeuerwaffen und Dolchen zu bewundern oder auch als
Shampooflaschen getarnte Bomben. Auf Landkarten zeigen Pfeile die Vielzahl
auswärtiger Angriffe gegen die Karibikinsel, unterteilt in "Direkte Aggressionen
des Imperialismus" und "Von der US-Regierung unterstützte Söldneraggressionen".
Letzter Plan im November 2000
"Wir wissen von 638 Attentatsplänen gegen Fidel seit dem Triumph der Revolution
1959", sagt Museumsleiterin Libertad Ruival (65). Der letzte stammt vom November
2000: Kurz vor Beginn eines Iberoamerikagipfels trat der kubanischen Staats- und
Parteichef in Panama-Stadt vor die Presse und berichtete, dass sein Geheimdienst
einen geplanten Sprengstoffanschlag in der Universität von Panama aufgedeckt
habe. Vier Exilkubaner wurden von der panamaischen Polizei festgenommen, später
zu Gefängnisstrafen verurteilt, aber zum großen Ärger der Kubaner im August
dieses Jahres begnadigt.
Die Verschwörungen gegen Castro begannen gleich nach dessen Machtübernahme am 1.
Januar 1959, und meistens steckten Exil-Kubaner oder der US-Geheimdienst CIA
dahinter. Einige machten Furore, wie die Versuche, den bärtigen Revoluzzer mit
Hilfe von explosiven Zigarren, giftigen Pillen oder einem vergifteten
Taucheranzug ins Jenseits zu befördern. Andere Pläne sahen vor, Castro
lächerlich zu machen, indem man während einer Rede Lachgas ins Fernsehstudio
leitete oder ihm mit Hilfe von Pudern die Barthaare ausfallen ließ.
Nichts davon gelang. Und die deutsche Kapitänstochter Marita Lorenz, die von der
CIA auf Castro angesetzt worden war, überlegte es sich im letzten Augenblick
anders: Sie warf die Giftpillen ins Klo und sich selbst in die Arme des früher
auch als Frauenheld bekannten Umstürzlers.
Selten kamen die verhinderten Attentäter ihrem Ziel so nahe wie 1971 in Chile,
wo Castro den befreundeten Präsidenten Salvador Allende besuchte. Während einer Pressekonferenz schlich sich ein Mann heran, der eine
Schusswaffe in einer Fernsehkamera verborgen hatte. Nach kubanischer Darstellung
verließ ihn aber im letzten Augenblick der Mut. Der Mann flüchtete und ließ die
präparierte Kamera zurück.
(08/2006)